Dem Wikileaks-Gründer Julian Assange droht die Auslieferung an die USA. Grund ist, dass er angeblich eine Verschwörung angeführt haben soll, die Hunderttausende Dokumente über die nationale Verteidigung im Zusammenhang mit den Kriegen in Afghanistan und im Irak beschafft, weitergegeben und veröffentlicht hat.
Am 20. April 2022 genehmigte ein britisches Gericht formell die Auslieferung von Julian Assange an die USA «wegen Spionagevorwürfen». Noch ist Assange aber nicht an die USA übergeben worden.
Der Grund liegt darin, dass der Wikileaks-Günder dagegen Berufung eingelegt hat. Vergangene Woche fand die Berufungsanhörung vor dem High Court des Vereinigten Königreichs statt. Sie bietet für Assange die letzte Möglichkeit, seiner Auslieferung zu entgehen.
Dass es so weit kommen konnte, liegt laut Michel Chossudovsky, emeritierter Wirtschaftsprofessor und Herausgeber von Global Research, im Wesentlichen auch darin, dass Medien wie The Guardian, The New York Times oder auch The Economist den 52-jährigen Australier de facto haben fallen lassen wie eine heisse Kartoffel.
Dies schreibt Chossudovsky in dem auf seinem Substack-Account veröffentlichten Beitrag «‹Wiki-Gate›: Julian Assange Was Framed by the People Who Supported Him» (Julian Assange wurde von den Leuten reingelegt, die ihn unterstützten). Chossudovsky:
«Julian Assange wurde anfangs von den Mainstream-Medien gelobt und unterstützt. Im Jahr 2008 verlieh der ‹Economist›, der sich teilweise im Besitz der Familie Rothschild befindet, Assange den New Media Award. War dies eine echte Unterstützung für Assanges Engagement für die ‹Pressefreiheit›? Oder war es eine PR-Massnahme?»
Julian Assange nimmt 2008 den The Economist New Media Award entgegen; Quelle: indexoncensorship.org
Chossudovsky beantwortet diese Frage selbst mit entschlossener Klarheit. So sei es nach seinen eingehenden Recherchen eindeutig, dass Assange genau von denjenigen reingelegt worden sei, die ihn unterstützt hätten. Darunter befinden sich neben den bereits erwähnten Medien The Guardian, The New York Times und The Economist auch der englische Journalist Vaughan Smith, der Assange eine Zeit lang beherbergte, George Soros, die Rothschilds und die Denkfabrik Council on Foreign Relations.
«Assange wurde von denselben Konzernmedien beschuldigt, die seine Leistungen lobten», so Chossudovsky. «Im Nachhinein betrachtet war es eine sorgfältig geplante Operation. Die Wiki ‹Leaks› wurden gezielt ‹überwacht›.»
Mitschuldig gemacht habe sich insbesondere David E. Sanger, seit 2006 Chefkorrespondent der New York Times in Washington. Er sei in Absprache mit dem US-Aussenministerium an der Schwärzung von Wikileaks beteiligt gewesen. 2010 sagte er in einem Interview mit PBS:
«[W]ir sind die Kabel [die diplomatischen Berichte, die früher per Kabel, sprich per Telegrafie, übermittelt wurden] sehr sorgfältig durchgegangen, um zu versuchen, Material zu schwärzen, von dem wir dachten, dass es Personen schaden oder laufende Operationen untergraben könnte. Und wir haben sogar den sehr ungewöhnlichen Schritt unternommen, der US-Regierung die rund 100 Kabel zu zeigen ... und sie zu fragen, ob sie zusätzliche Schwärzungen vorzuschlagen hätte.»
Zu einem späteren Zeitpunkt des Interviews sagte Sanger dann:
«Es ist die Verantwortung des US-amerikanischen Journalismus, die bis zur Gründung dieses Landes zurückreicht, etwas herauszukriegen und zu versuchen, sich mit den schwierigsten Fragen des Tages auseinanderzusetzen – und dies unabhängig von der Regierung zu tun.»
Das passe, so Chossudovsky, alles andere als zusammen: auf der einen Seite zu konstatieren, ein Journalist müsse unabhängig von der Regierung agieren – und gleichzeitig eben diese Regierung «zu fragen, ob sie zusätzliche Korrekturen vorschlagen wolle».
Chossudovsky macht in diesem Zusammenhang auch darauf aufmerksam, dass Sanger Mitglied des Thinks Tanks Council on Foreign Relations und der Aspen Group sei – und dass die New York Times Verbindungen zu den US-Geheimdiensten habe.
Dass die Schwärzung von Verschlusssachen durch die New York Times in enger Absprache mit dem US-Aussenministerium erfolgt sei, «das ist ein Paukenschlag», so Chossudovsky. Und diese Gebaren werfe auch «rechtliche Fragen auf».
So habe der Oberste Gerichtshof in seinem letzten Versuch, die Auslieferung von Assange doch nicht anordnen zu müssen, festgestellt:
«Der Versuch der Vereinigten Staaten, Julian Assange strafrechtlich zu verfolgen, ist eine ‹staatliche Vergeltungsmassnahme›.»
Doch Chossudovsky widerspricht:
«Aus rechtlicher Sicht handelt es sich nicht um ‹staatliche Vergeltung›. Ganz im Gegenteil, es ist ‹staatliche Kollusion›: Das US-Aussenministerium ... hat der New York Times grünes Licht für die Veröffentlichung von geschwärzten Geheimdokumenten gegeben.
Und jetzt will die US-Regierung, dass Grossbritannien Julian Assange ausliefert, damit er [in den USA] wegen Verstosses gegen das Spionagegesetz angeklagt werden kann. Gibt es da nicht irgendwo einen Interessenkonflikt? Verstösst das US-Aussenministerium aus rechtlicher Sicht gegen das Spionagegesetz?»
Auch hätten New York Times, Guardian, Der Spiegel, Le Monde, El Pais – also die fünf grossen Nachrichtenmedien, die massgeblich an der Veröffentlichung und «Schwärzung» der WikiLeaks-Dokumente beteiligt gewesen seien, 2019 eine widersprüchliche gemeinsamen offenen Brief veröffentlicht.
Darin fordern sie die Freilassung von Julian Assange. Zugleich jedoch beschuldigen sie darin Assange, geheime Dokumente über Korruption und Betrug seitens der US-Regierung veröffentlicht zu haben – und gleichzeitig erkennen sie darin ihre Rolle bei der Freigabe geschwärzter Geheimdokumente an. «Verstossen sie damit nicht auch gegen das Spionagegesetz?», fragt Chossudovsky.
Wie unredlich die Medien vorgegangen seien, zeige sich auch daran, dass sie schlicht Unwahrheiten über Assange verbreitet hätten. Chossudovsky zitiert in diesem Zusammenhang den Journalisten John Pilger:
«Der Guardian hat seitdem eine Reihe von Unwahrheiten über Assange veröffentlicht. Dazu gehört nicht zuletzt eine diskreditierende Behauptung, eine Gruppe von Russen und dem Trump-Mann Paul Manafort hätten Assange in der [ecuadorianischen] Botschaft besucht. Die Treffen haben aber nie stattgefunden; hier handelte es sich um eine Fake-News.»
Assange, so Chossudovsky, war offenkundig «das Ziel einer umfassenden Verleumdungskampagne von denjenigen, die ihn unterstützt haben».
Dafür habe es sogar einen konkreten Plan gegeben. Hierzu zitiert Chossudovsky erneut Pilger mit folgenden Worten:
«Ein Plan, sowohl WikiLeaks als auch Assange zu zerstören, wurde in einem streng geheimen Dokument vom 8. März 2008 [von] der Cyber Counter-intelligence Assessments Branch des US-Verteidigungsministeriums dargelegt ... Als Hauptwaffe sollte dabei die persönliche Verleumdung dienen. Ihre Schocktruppen würden in die Medien eingeschleust werden». Der Economist, der Assange 2008 mit dem New Media Award auszeichnete, deutet nun an, dass er ein feindlicher Agent sei, der für «Informationsanarchie ... bis hin zur Destabilisierung der US-amerikanischen Demokratie verantwortlich sei».
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